Ich war vom Ehrgeiz zerfressen

Herr Aumann, was macht Ihrer Meinung nach einen guten Torwart aus?Das kann man nicht nur mit ein, zwei prgnanten Attributen beschreiben. Ein Torhter muss vor allem der Zeit, in der er spielt, angepasst sein. Neben Nervenstrke, guten Reflexen und Strafraumbeherrschung, muss ein Torhter heutzutage auch mitspielen knnen. Dazu muss er ein Spiel lesen knnen, um

Herr Aumann, was macht Ihrer Mei­nung nach einen guten Tor­wart aus?
Das kann man nicht nur mit ein, zwei prä­gnanten Attri­buten beschreiben. Ein Tor­hüter muss vor allem der Zeit, in der er spielt, ange­passt sein. Neben Ner­ven­stärke, guten Reflexen und Straf­raum­be­herr­schung, muss ein Tor­hüter heut­zu­tage auch mit­spielen können. Dazu muss er ein Spiel lesen können, um seine Vor­der­leute dem­entspre­chend zu diri­gieren. Man muss mehr können. als nur im Tor zu stehen.

Früher war das anders?
Wer am schlech­testen kicken konnte, wurde ins Tor gestellt.

Waren Sie auch der schlech­teste Fuß­baller in der Nach­bar­schaft?

Ich spielte zu Beginn auch im Feld. Irgend­wann brauchte meine Mann­schaft einen Tor­hüter, da habe ich mich eben rein­ge­stellt. Als Tor­hüter hatte ich auch etwas mehr Talent, dazu kam mein Ehr­geiz. Im Nach­hinein war es wohl gut für mich, ins Tor zu wech­seln.

Hat sich das Tor­wart­trai­ning und –spiel im Ver­gleich zu Ihrer aktiven Zeit ver­än­dert?
Absolut. Früher wurden die Tor­hüter vom Co-Trainer trai­niert, heute hat jeder Verein min­des­tens einen Trainer, der sich aus­schließ­lich um die Aus- und Wei­ter­bil­dung der Keeper küm­mert. Ich bin auch der Mei­nung, dass Tor­hüter, im Ver­gleich zu frü­heren Zeiten, gegen­wärtig einen anderen Stel­len­wert in der Öffent­lich­keit, aber auch im Spiel selbst, haben. Sepp Maier war damals einer der ersten Tor­wart­trainer in der Bun­des­liga. Das war ein Start­si­gnal dafür, dass erkannt wurde, wie wichtig die Posi­tion des Tor­hü­ters wirk­lich ist.

Sind Tor­hüter gene­rell eher Ein­zel­kämpfer oder Mann­schafts­spieler?
Ein Tor­hüter ist letzt­end­lich immer auf sich alleine gestellt. Wenn ein Ver­tei­diger patzt, weiß er, dass hinten immer noch einer steht. Bei einem Tor­hüter kommt nach einem Gegentor immer die Dis­kus­sion auf, ob der Ball haltbar war oder nicht.

Hätten Sie mit Oliver Kahns Ent­schei­dung gerechnet, als Ersatz­tor­mann mit zur WM zu fahren?
Absolut. Ich war immer davon über­zeugt, dass Oliver Kahn ein fairer Sports­mann ist. Die Ent­schei­dung Klins­manns musste er so akzep­tieren, wie er sich danach ver­hielt zeugt von großem Sports­geist und ver­dient größten Respekt. Ob ich in seiner Situa­tion so gehan­delt hätte, kann ich nicht sagen.

Im Verein standen Sie in harter Kon­kur­renz zu Pfaff – am Ende setzten sie sich jedoch durch. Wie würden Sie Ihr Ver­hältnis beschreiben?

Wir waren beide vom Ehr­geiz zer­fressen. Wir können uns heute aber noch in die Augen schauen und sogar über den damals in den Medien hoch­ge­spielten Zwei­kampf im Trai­ning lachen (Anm. d. Red.: Pfaff soll Aumann im Trai­ning geohrfeigt/​wahlweise auch mit der Faust geschlagen haben.). Für mich war das zwi­schen Jean-Marie und mir ein ganz nor­maler Wett­kampf unter Tor­leuten, die beide spielen wollten. Ich denke, dass wir uns gegen­seitig zu Leis­tungs­stei­ge­rungen brachten.

Agierten Sie bei Bayern Mün­chen aggres­siver als gegen ihre Kon­kur­renten in der Natio­nalelf?
Ich war eigent­lich nie aggressiv, ich wollte immer nur spielen. Vor der WM 1990 hatte sich Franz Becken­bauer für Bodo Ill­gner als Nummer Eins fest­ge­legt, das musste ich ver­dammt noch mal so hin­nehmen. Ich bin dann in dem Wissen, nur die Nummer Zwei zu sein, nach Ita­lien mit­ge­reist und ver­suchte, mich so gut es ging in den Dienst der Mann­schaft zu stellen und für den Fall eines mög­li­chen Ein­satzes fit zu halten. Das sollte auch jeder Sportler tun: Ent­schei­dungen des Trainer, auch wenn sie gegen einen aus­fallen, akzep­tieren.

Es ist momentan so, dass mit Enke und Hil­de­brand auf der einen sowie Neuer, Adler und Rensing auf der anderen Seite fast schon zwei Tor­hü­ter­ge­ne­ra­tionen mit­ein­ander kon­kur­rieren. Sind Sie für den sanften Über­gang mit der Gene­ra­tion Enke, oder würden Sie eher sofort auf die Jugend bauen?
Momentan spielt Jens Leh­mann noch, des­halb sollte man sich nicht zu Spe­ku­la­tionen, die Zukunft betref­fend, hin­reißen lassen. Denn Leh­mann macht zur Zeit einen groß­ar­tigen Job als Tor­hüter der Natio­nalelf. Ich sehe primär auch nicht, dass sich zwei Tor­hü­ter­ge­ne­ra­tionen um die Nach­folge im Tor der Natio­nalelf streiten. Meine Sicht­weise ist, dass Deutsch­land noch nie ein Tor­hü­ter­pro­blem hatte und auch in Zukunft keines haben wird. Sie nannten eben selbst fünf Namen von Tor­hü­tern, die das Tor der Natio­nal­mann­schaft hüten könnten.

Wer ist für Sie der stärkste Keeper aller Zeiten?
Ich denke, dass es nicht den besten Tor­hüter aller Zeiten gibt. Aber jede Zeit hat einen Tor­hüter, der über den anderen ragt. Mich hat natür­lich Sepp Maier stark beein­flusst. Aber es wäre unge­recht zu sagen, dass Maier stärker als Kahn war. Oder als Buffon, der für mich momentan viel­leicht der stärkste Keeper von allen ist.

Wel­ches Spiel ihrer Kar­riere ist ihnen am stärksten im Gedächtnis geblieben?
Wenn ich auf meine Kar­riere zurück blicke, dann fallen mir spontan zwei Spiele ein. Und wenn ich mich nicht ent­sinne, dann tut es die Öffent­lich­keit. Das erste Spiel, an das ich auch weniger gern denke, war die Partie gegen Roter Stern Bel­grad in Bel­grad. Im Halb­fi­nale des Lan­des­meis­ter­po­kals schau­felte ich mir einen harm­losen Ball von Klaus Augen­thaler selbst ins Tor. Das hat mir für meine Mit­spieler wahn­sinnig leid getan. Viel lieber denke ich an eine Partie bei Inter Mai­land. Nach der Partie hatte mich wirk­lich jeder in den Himmel gelobt.

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